Eingewöhnung in außerfamiliärer Betreuung
Warum ist eine Eingewöhnung wichtig?
Die Eingewöhnung in einer außerfamiliären Betreuungssituation, zum Beispiel in der Krippe, dem Kindergarten oder einer Tagespflegeperson stellt die Familie vor einige Herausforderungen. Jedes Familienmitglied erlebt diese aufregende Phase mit unterschiedlichen Gefühlen, Erwartungen und Bedürfnissen. Bisher haben hauptsächlich die Eltern oder bei manchen auch nahe Verwandte oder Freunde für das Wohl des Kindes gesorgt und die erste Lebenszeit geprägt. Nach dieser intensiven und innigen Zeit sollen mit der Eingewöhnung nun auch andere Menschen eine wichtige Rolle im Leben des Kindes spielen, auch wenn die Eltern die Hauptbezugspersonen bleiben. Es bedeutet daher nicht nur eine große Umstellung für das Kind, sondern auch für die Eltern. Diese Zeit kann also durchaus mit gemischten Gefühlen verbunden sein. Eine professionelle und einfühlsame Eingewöhnung ist deswegen nicht nur für das Kind, sondern auch für die Eltern wichtig, um Vertrauen zu den Fachkräften der Einrichtung aufzubauen. Sie können sich dadurch öffnen und dann wiederum ihr Kind dabei unterstützen, mit der fremden Situation zurechtzukommen. Das Kind fühlt sich in der unbekannten Umgebung durch die Begleitung seiner Eltern sicher. Spürt es von Seiten der Eltern Zutrauen in die Arbeit der ErzieherInnen hilft das dem Kind dabei, die Einrichtung offen kennenzulernen und neue Beziehungen zu knüpfen. Während der ersten Zeit wird das Kind viele Eindrücke sammeln, andere Kinder und Erwachsene sowie neue Rituale und Strukturen kennenlernen. Es wird Zeit benötigen, um all das Neue zu verarbeiten und dabei Sicherheit und Vertrauen aufzubauen. Kinder benötigen einen sanften Übergang, um diese Schritte gut zu bewältigen. Die Begleitung durch eine enge Bezugsperson als "sicherer Hafen" ist erforderlich, bis sich die neuen Strukturen verinnerlicht haben und Vertrauen zu den ErzieherInnen aufgebaut werden konnte.
Wie lange dauert eine Eingewöhnung?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da es nicht nur abhängig vom Alter, sondern auch von der individuellen Persönlichkeit des Kindes ist. Es sollte aber auf jeden Fall ausreichend Zeit eingeplant werden, sodass die Eingewöhnung nicht unter Zeitdruck stattfindet. Vier bis acht Wochen sollten Eltern sich für diesen wichtigen und einmaligen Entwicklungsschritt Zeit nehmen. Dabei handelt es sich um einen Mittelwert. Bei manchen Kindern kann die Eingewöhnung auch bereits nach zwei Wochen abgeschlossen sein, andere können wiederum auch länger als acht Wochen benötigen. Jedes Kind braucht eine Eingewöhnung, unabhängig davon, ob es sich während der Eingewöhnung anhänglich zeigt oder den Anschein macht, die Eltern nicht zu brauchen. Eine zu schnelle Eingewöhnung, in der keine ausreichend sichere Beziehung zur Fachkraft aufgebaut werden kann oder in der die Bedürfnisse des Kindes oder die der Eltern nicht ausreichend berücksichtigt werden, kann hohen Stress bei Kindern auslösen. Dies kann einerseits für die Entwicklung und Bindung des Kindes schädlich sein und andererseits die Eingewöhnung scheitern lassen.
Welche Rolle übernehmen die Eltern bei der Eingewöhnung?
Die Eltern sind der "sichere Hafen" für ihre Kinder. Sie sollten sich aktiv am Eingewöhnungsprozess beteiligen und diesen mitgestalten. In einem Eingewöhnungsgespräch ohne das Kind vor dem Start der Eingewöhnung können die gegenseitigen Erwartungen und Bedürfnisse mit der Einrichtung besprochen und ein "Fahrplan" erstellt werden. In jeder Einrichtung gibt es ein festes Eingewöhnungskonzept, das im Vorfeld besprochen werden sollte. Während der Eingewöhnung sollten Eltern sich ihrem Kind gegenüber wie gewohnt verhalten und auf die kindlichen Signale entsprechend reagieren. Die eigenen Gefühle und Gedanken sollten ernst genommen und bei Bedarf mit der Einrichtung besprochen werden. Eltern sollten sich dann aber auch Stück für Stück zurückziehen, um dem Kind und der Fachkraft einen Beziehungsaufbau zu ermöglichen und diesen auch zulassen.
Welche Eingewöhnungsmodelle gibt es?
Es gibt verschiedene Eingewöhnungsmodelle, die die Einrichtungen übernehmen oder sich daran orientieren können. Es folgt eine kurze Übersicht der bekannten Modelle. Ausführlichere Informationen zu den jeweiligen einzelnen Phasen bzw. dem gesamten Vorgehen finden Sie beispielsweise hier oder hier.
Das Berliner Eingewöhnungsmodell
Der Ablauf:
Vorbereitungsphase
Grundphase
Stabilisierungs- und Trennungsphase
Schlussphase
Das Münchner Eingewöhnungsmodell
Der Ablauf:
Vorbereitungsphase
Kennenlernphase
Sicherheitsphase
Vertrauensphase
Phase der gemeinsamen Auswertung und Reflektion
Tübinger Modell - Eingewöhnung in der Peergroup
Der Ablauf:
Die Eingewöhnungsgruppe startet in einem separaten Raum und man lernt sich erstmal untereinander kennen. Nach circa ein bis zwei Wochen wird die Tür zum Alltagsgeschehen geöffnet. Ab der 3. Woche soll die Gruppe in das Alltagsgeschehen integriert werden. Der separate Raum steht den Kindern jedoch für eine Übergangszeit jederzeit als Rückzugsort zur Verfügung. Grundsätzlich gilt: Die Kinder bestimmen ihre Trennungsschritte und werden aktiv in den Prozess einbezogen
Das Partizipatorische Modell
Der Ablauf:
Informieren und die Eingewöhnung vorbereiten
Ankommen in der Einrichtung
In Kontakt gehen
Beziehungen aufbauen
Sich in der Einrichtung wohlfühlen
Bereit für den Abschied
Die Einrichtung wird zum Alltag
Dieses Modell wird hier auch nochmal sehr ausführlich beschrieben und kann auch als PDF heruntergeladen werden.
Die kultursensible Eingewöhnung
In einer kultursensiblen Eingewöhnung werden die unterschiedlichen kulturellen Prägungen von Familien und ihren Kindern berücksichtigt, ohne ein bestimmtes Eingewöhnungsprozedere. Kulturgeprägte, individuelle Erwartungen der Bindungsperson und die für das Kind bekannten, kulturbedingten Vorerfahrungen hinsichtlich Betreuungssituationen werden in der kultursensiblen Eingewöhnung besprochen und im Ankommensprozess berücksichtigt.
Die bedürfnisorientierte Beziehungszeit (Eingewöhnung)
Bedürfnisorientiert in einer außerfamiliären Einrichtung anzukommen heißt, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten – die des Kindes, der Bezugsperson und der Fachkraft – wahrgenommen und berücksichtigt werden. Ebenso wird den Gefühlen aller Beteiligten Raum gegeben und ihre Grenzen sollen respektiert werden. Die Beteiligten gestalten den Ankommensprozess gemeinsam.
Wann ist ein Kind in der Einrichtung angekommen?
Anzeichen dafür, dass ein Kind in der Einrichtung angekommen ist und sich wohlfühlt können zum Beispiel sein:
das Kind ist explorativ und erkundet auch ohne Eltern die Umwelt
das Kind bringt positive Stimmung zum Ausdruck - je nach Alter / Entwicklung verbal oder nonverbal
Kommunikation findet auch mit anderen Kindern und den Erziehern statt
das Kind ist bereit, bei gemeinsamen Aktivitäten mitzumachen
Situationen wie Wickeln, Anziehen und Trösten dürfen von der Erzieherin übernommen werden
Der Weg zur Kita ist nicht mit Tränen und Unwillen verbunden, das Kind geht gerne hin (unabhängig davon kann der morgendliche Abschied dennoch schwierig sein)
Wiedereingewöhnung nach Schließungszeiten
Nach längeren Schließungszeiten der Kindertageseinrichtung kann eine Wiedereingewöhnung sinnvoll sein, um nach den ungewöhnlichen vergangenen Wochen Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln. Manchen Kindern fällt der Neustart nach Schließungszeiten schwer, daher ist es wichtig, Kinder, die nur zögerlich zurück in den Kita-Alltag finden, einfühlsam zu unterstützen. Auch, wenn es für Eltern häufig schwierig ist und die Arbeit ruft, ist Zeit ein entscheidender Faktor. Je nach Kind und individueller Verfassung sollten Eltern sich beim Abschied Zeit nehmen und Stress in den ersten Tagen des Wiedereinstiegs vermeiden. Zeitdruck und Drängen können sich negativ auswirken.
Und wenn die Eingewöhnung nicht klappt?
Sollte ein Trennungsversuch scheitern, muss dies nicht das Ende der Eingewöhnung bedeuten, das Kind hat vermutlich noch nicht die nötige Sicherheit und Vertrauensbasis. Es kann einige Tage später nochmal ein Versuch unternommen werden. Zunächst kann erstmal immer erst die Eingewöhnungszeit verlängert und so dem Kind und den Eltern mehr Zeit gegeben werden. Sollte auch nach einer Verlängerung keine merkliche Verbesserung der Situation erkennbar sein, sollte ein Gespräch zwischen Einrichtung und Eltern stattfinden, um gemeinsam nach den Gründen für die Stresssituation des Kindes zu suchen. Sollte das Gespräch keine Lösung bringen oder die erarbeiteten Strategien wiederum nicht wirken, ist über eine Verschiebung des Kindergartenstarts nachzudenken. Eventuell benötigt das Kind mehr Zeit, um die Veränderung tatsächlich zu meistern. Es können vorher allerdings auch weitere Beratungsstellen, wie beispielsweise die örtliche Erziehungsberatungsstelle in den Prozess integriert werden. Der Einstieg in die Fremdbetreuung sollte in jedem Fall immer auf das Tempo der Kinder abgestimmt sein – auch wenn es teilweise schwer umzusetzen ist. Die langfristig positiven Folgen einer erfolgreichen Eingewöhnung zeigen, dass es gerade zu Beginn in der Kita wichtig ist, dass die Kinder genügend Zeit erhalten.
Sollte man sich für eine Verschiebung des Kindergartenstarts entscheiden, kann es in der Zwischenzeit helfen, das Kind immer mal wieder mit vertrauten Personen alleine zu lassen. Lernen die Kinder, für einige Zeit bei den Großeltern oder Freunden zu bleiben, erleichtert dies häufig auch die Eingewöhnung in die Kita. Ist ein Elternteil die dominierende Bezugsperson, kann es auch schon genügen, das Kind öfters mit dem anderen Erziehungsberechtigten alleine zu lassen. Die Kinder sollten dabei positive Erfahrungen machen und lernen, dass sie auch anderen Erwachsenen vertrauen können.
Quellen (Stand 02.01.2025):
Eingewöhnungsmodelle für Kita und Kindergarten | Betzold
Die Eingewöhnungsmodelle im Überblick – Bedürfnisorientierte Pädagogik
Informationen für Eltern - Partizipatorische Eingewöhnung
Eingewöhnung Kita: Erfolgreicher Übergang in Fremdbetreuung | Pro Kita Portal